Gute Preisgestaltung ist eine Kunst für sich
Mit Preisinformationen zu einem besseren Betriebsergebnis
Der nachfolgende Text ist erschienen in:
DAP Dialog, Ausgabe 69 von Juni 2022
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Steigende Energie- und Lebensmittelpreise prägen die Schlagzeilen. Die schwindende Kaufkraft spüren die Verbraucher hautnah beim täglichen Einkauf. Versandapotheken entdecken Bandenwerbung in Fußballstadien und werben mit Testimonials. Eine aktive Preisgestaltung ist daher mehr denn je ein entscheidendes Instrument für den wirtschaftlichen Erfolg Ihrer Apotheke.
Die Vor-Ort-Apotheke steht vor einigen Herausforderungen. Im letzten Jahr vergrößerte sich der Umsatz bei den Versandapotheken mit nicht verschreibungspflichtigen Produkten um 10,7 % gegenüber dem Vorjahr. Der Umsatz mit OTC-Arzneimitteln stieg um 7,7 %, Gesundheitsmittel wuchsen um 12,7 % und Kosmetik- bzw. Körperpflegeartikel zeigten einen Anstieg von 12,9 %. Der größte Wachstumsimpuls für die Versender kam aus dem Segment medizinischer Sachbedarf. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Versandumsatz in diesem Bereich um 26,6 % gewachsen. Nahrung und Nahrungsergänzungsmittel zeigen einen Anstieg von 4,4 %. Auch wenn brandaktuelle Marktzahlen erstmals zeigen, dass der pandemiebedingte Aufwärtstrend beim Versand gebrochen ist, so liegt der Anteil der Versender am Umsatz mit rezeptfreien Produkten immer noch deutlich über dem Niveau von vor der Coronakrise.
Die Ursache liegt auf der Hand: Der Kunde von heute informiert sich, vergleicht und wechselt selbstverständlich von der analogen in die digitale Welt. Mit nur wenigen Klicks erhält man mutmaßlich „den besten Preis“. Die Verfügbarkeit des Internets sowie Bequemlichkeit haben das Verbraucherverhalten dramatisch verändert. Social Distancing bzw. der Sondereffekt Covid-19 beschleunigten die Entwicklung. Darüber hinaus befinden sich Apotheken vor Ort im Wettbewerb mit Drogerien, Supermärkten sowie weiteren Apotheken und der Durchbruch des E-Rezepts steht ante portas.
Begeistern Sie Ihre Kunden
Apotheker aus ländlichen Regionen berichten gelegentlich, dass sie treue Stammkunden haben und daher auf eine aktive Preisgestaltung verzichten können; ferner seien sie auf Schnäppchenjäger nicht angewiesen. Städtische Apotheken hingegen werden fast permanent mit den Angeboten der Versender konfrontiert. Emanuel Winklhofer, Apotheker, Coach und Dozent an der Hochschule Schmalkalden, sagt in diesem Zusammenhang: „Da der Ertrag der meisten Apotheken zu mehr als 70 % aus dem Rx-Geschäft kommt, ist das Ziel aller Maßnahmen im Frequenzmarketing die Erhöhung der Rezeptanzahl. So müssen wir manchmal ‚mit der Wurst nach dem Schinken werfen‘, wenn wir z. B. Sparpreise im OTC-Bereich anbieten, Aktionen durchführen, Zeitungen verteilen oder Giveaways verschenken, damit zunächst einmal neue Kunden in die Apotheke kommen, die dann auch einmal ihre Rezepte hier einlösen.“
Es geht demnach nicht darum, mit Sonderangeboten Schnäppchenjäger anzuziehen. Vielmehr ist das Ziel der Preisgestaltung und Kommunikation, Verbraucher zu adressieren und neugierig zu machen, um sie zu begeistern und von der eigenen Leistung zu überzeugen.
Mögliche Apothekenaktionen zur Steigerung der Frequenz:
- Flyer – z. B. zu einem Gesundheitsthema – mit Aktionsprodukten (bekannte Marken)
- Präsentation im (digitalen) Schaufenster, bei der Aktionsprodukte als Lösung gezeigt werden
- (Virtuelle) Sicht- und/oder Freiwahl: Platzierung der Aktionsprodukte auf Augenhöhe
- Aktionsprodukte: flankierende Wirkung durch Sonderplatzierungen (z. B. Displays) in der Offizin und Präsenz im Internet (z. B. Webseite der Apotheke, Web-Shop, Facebook und Instagram)
- Eine Aktion zu Ihrem Gesundheitsthema, die die Positionierung Ihrer Apotheke als Beratungsapotheke unterstreicht
Nutzen Sie Marktinformationen für die Preisgestaltung
Die unverbindliche Preisempfehlung (UVP) der Hersteller unterscheidet nicht zwischen Regionen und Städten. Studien zeigen allerdings immer wieder, dass u. a. die Kaufkraft einen entscheidenden Einfluss auf die Preisbildung und den Abverkauf von OTC-Arzneimitteln sowie von weiteren rezeptfreien Produkten hat. Die Preise können also von Gebiet zu Gebiet und von Ort zu Ort stark variieren. Dies gilt insbesondere auch für Kosmetik- und Körperpflegeprodukte. Die Abbildung weiter unten macht das am Beispiel Hautpflege deutlich: Der Preis für die Nachtcreme etwa variiert deutlich zwischen den Apotheken der kaufkraftstarken nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf und den weiteren niedergelassenen Apotheken in der Region Nordrhein. Während in Düsseldorf (dunkelblau unterlegt) die höchsten Preise erzielt werden, liegt das Preisniveau in den Bezirken „Linksrheinisch“, „Duisburg“ und „Ruhr“ (drei weiß unterlegte Bezirke nördlich von Düsseldorf) am unteren Ende der Skala. Eine lokalisierte Preisgestaltung, wie wir sie z. B. aus dem Lebensmitteleinzelhandel kennen, ist also angebracht und im Sinne eines optimierten Betriebsergebnisses auch zielführend.
Woher aber bekommen Sie die notwendigen Preisinformationen, sprich: die tatsächlichen Preise in Ihrem Umfeld? Testkäufe sind grundsätzlich zeitaufwendig und daher recht teuer. Sie sind ferner nicht umfassend und Sie müssen sie überdies regelmäßig durchführen, um auf dem Laufenden zu bleiben.
Die Alternative: Verwenden Sie …
- eigene Daten, Beobachtungen bzw. Erkenntnisse, z. B. die Auswertungen aus Ihrem Warenwirtschaftssystem zu Abverkäufen bei Preisaktionen, und
- die Daten externer Marktforschungsunternehmen, die Ihnen z. B. auch im Rahmen von Preis-Analyse-Tools (s. Abbildung) zur Verfügung stehen.
Wichtig in diesem Zusammenhang: Nutzen Sie – im Sinne der statistischen Methodenlehre – repräsentative Markt- und Preisinformationen! Handelt es sich bei den Daten um eine Vollerhebung oder um ein Panel? Wie viele Apotheken stehen ggf. hinter der Stichprobe? Wurde das Panel auf Basis eines repräsentativen Stichprobenplans erhoben? Kann Ihr Partner die Qualität der Markt- und Preisinformationen verifizieren? Diese Fragen sollten Sie klären, bevor Sie eine Softwarelösung oder eine Datenbank einsetzen.
Achten Sie ferner darauf, dass das Preis-Analyse-Tool anwenderfreundlich ist. Nur ein System, mit dem Sie gerne arbeiten, werden Sie und Ihr Team auch täglich gebrauchen.
Beispiel für ein Preisanalysetool
Nutzen sie Preisdaten externer Marktforschungsunternehmen, die Ihnen im Rahmen von Preis-Analyse-Tools wie zum Beispiel IQVIA Pharmacy Intelligence Price Analytics (PIPA) zur Verfügung stehen.
Klicken Sie auf das Bild, um das Video von Mareike Flögel (IQVIA -Lead Supplier Solutions) anzuschauen.
Beachten Sie das Umfeld und fokussieren Sie sich auf Produkte mit einer geringen Preistransparenz!
Es stellt sich die Frage: Wann sollten Apotheker einen Preis oberhalb der unverbindlichen Preisempfehlung des Herstellers ansetzen? Grundsätzlich gilt es zwei Faustregeln zu beachten:
- Einkommensstarke bzw. wohlhabende Kunden sprechen für höhere Preise. „Eine Creme unter 20,– Euro brauche ich gar nicht erst in die Freiwahl zu stellen“, berichtete mal eine Apothekerin aus dem kaufkraftstarken Süden von Köln. Insbesondere bei Kosmetikprodukten mit einem hohen Zusatznutzen (u. a. Prestige und Selbstbestätigung) spielt die ökonomische und psychologische Binsenweisheit „Was nichts kostet, ist nichts wert“ eine herausragende Rolle.
- Artikel mit einer geringen Preistransparenz ermöglichen Gestaltungsspielräume. Während im Drogeriemarkt die Preise von Markenartikeln direkt mit den Preisen von Handelsmarken verglichen werden, ist die Vor-Ort- Apotheke ein Ort relativ geringer Preistransparenz – ein Wettbewerbsvorteil, der für den Premiumvertriebskanal Apotheke spricht und von Markenherstellern besonders geschätzt wird. Eine besonders geringe Preistransparenz besteht insbesondere für Artikel aus sogenannten Tabubereichen. So variieren insbesondere die Preise für Mittel gegen Fuß- und Nagelpilz sowie die Preise für Entwöhnungs- und Inkontinenzprodukte.
Die beiden Effekte schließen sich selbstverständlich nicht aus. Vielmehr verstärken sich die Phänomene. Die Preise für Inkontinenzeinlagen bei mittlerem bis stärkerem Harnverlust unterscheiden sich z. B. sehr stark hinsichtlich der Ortsteile einer Großstadt. So sind die Preise für Inkontinenzartikel in München-Bogenhausen z. B. deutlich höher als in vielen weiteren Stadtteilen der bayerischen Landeshauptstadt.
Fazit
Ihre Kunden dürften die Preise von rund 90 % der nichtrezeptpflichtigen Artikel in Apotheken nicht kennen. Daher haben Sie viele Spielräume, die entsprechenden Preise in Ihrer Apotheke auf Basis von internen und externen Informationen zu gestalten. Scheuen Sie sich nicht, auch mal Preise anzuheben. Um die Frequenz zu erhöhen, sollten Sie darüber hinaus Preisaktionen mit weiteren Marketingmaßnahmen, Ihrem lokalen Engagement vor Ort, Social-Media- Präsenz und Informationsveranstaltungen kombinieren.
Quellen: s. PDF des Originalartikels
Kontakt: Frank Weißenfeldt, ARZ Darmstadt
f.weissenfeldt@arz-darmstadt.de